#Ich auch

Gebannt verfolge ich seit Tagen das Medienecho auf die #me too Kampagne. Bei vielen Tweets fühle ich mich an meine eigene Jungend erinnert als ein mir völlig fremder Mann in einer Machtposition mir einen Finger in den Arsch geschoben hat, ohne dass ich etwas dagegen hätte unternehmen können. Das entwürdigende Ritual nannte sich damals „Musterung“ und entschied darüber, ob man 18 Monate bei der Bundeswehr schikaniert werden durfte oder daheimbleiben musste. Wenn ich dagegen lese, „er fasste mehrfach an mein Bein“ und der Minister darauf zurücktreten muss erscheint vor meinem inneren Auge nichts als ein großes Fragezeichen.

Wer jetzt denkt ich verteidige sexuelle Übergriffe der liegt völlig falsch. Ich denke lediglich über die Definition von „sexuellen Übergriffen“ nach. Gesellschaften verändern sich, das gilt für unsere in diesen Tagen ganz besonders. Ich habe immer das Gefühl das Hollywood deshalb so viele Remakes dreht, damit sie ihre Geschichten ohne die Darstellung von nackten Brüsten und Zigarette rauchenden Schauspielern noch einmal Zeitgeistkonform erzählen können. Aber Conan ohne die ganzen Nackten ist ein Film ohne Handlung und ohne Höhepunkte. Wer will so etwas sehen?

Das Pendel der sexuellen Befreiung bewegt sich seit den Achtzigern in die andere Richtung, trotz aller Pornowebseiten und Swingerclubs. Wer sexuelle Ausschweifungen will, der kann sie haben, aber darüber reden ist jetzt offiziell tabu. Das ist jedoch nichts neues, alle Gesellschaften in der jüngeren Vergangenheit haben immer zwischen prüden und lockeren Phasen der Sexualität geschwankt. Aber das ist bei der ganzen Diskussion auch nicht der Punkt.

Was ich in der ganzen Debatte vermisse ist eine vernünftige Diskussion darüber was „Sexuelle Übergriffe“ eigentlich sind. Denn es geht hier nicht um Sex, sondern um Macht. Die Macht zu haben über einen anderen Menschen zu bestimmen ist der Kern aller Übergriffe. Die Täter sprechen den Opfern die Selbstbestimmung ab und übernehmen die Kontrolle. Etwas was genau in die Zeit passt. Überall werden „starke Männer“ an die Spitzen der Politik gewählt. Das diese in ihrer Allmacht die Selbstbestimmung ihrer „Untertanen“ gerne mit Füssen treten, ist dabei Programm. Minderheiten werden diskriminiert und „das Volk“ klatscht Beifall. Kindlicher Egoismus als Wahlprogramm, ich darf meine Förmchen zuerst haben! Aber klar doch. Das dabei gerne auch andere Grenzen missachtet werden wissen wir spätestens seit dem US Wahlkampf. „I grab them by the pussy“ und werde trotzdem gewählt. Und jetzt „#me too?

Wie soll die Gesellschaft den Spagat schaffen solchen Tätern zuzujubeln und sie zu wählen, aber gleichzeitig hohe moralische Ansprüche an sich selbst zu stellen? Das kann nicht funktionieren. Bei gleichzeitiger zunehmender Kriminalisierung von Sexuellen Anbahnungsversuchen schaffen wir hier eine Doppelmoral auf höchster Ebene. Seit der Gesetzesnovelle von 2016 gilt:

 „Strafbar macht sich jetzt, wer eine Körperberührung vornimmt, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild eine sexuelle Konnotation aufweist und dadurch die Person belästigt. 

Wieder ist es reine Auslegungsfrage, was „sexuell bestimmt“ heißen soll? Die Gesetzesbegründung führt aus: „Die körperliche Berührung erfolgt in sexuell bestimmter Weise, wenn sie sexuell motiviert ist.“ In Betracht sollen kommen aufgedrängte Küsse auf die Wange, Berührungen der primären oder sekundären Geschlechtsmerkmale, Umarmungen oder auch ein Klaps auf den Po. „ (Quelle: anwalt.de)

Meine Tanten und Onkel machen sich also grundsätzlich strafbar, wenn meine Kinder bei Ihnen sind. Denn denen sind die Umarmungen und Küsschen meist auch unangenehm. Es ist wie immer, wenn der Staat meint, er müsste in die Privatsphäre der Bürger hineinregieren. Alles was dabei herauskommt sind Verunsicherung und Kriminalisierung banaler Alltagshandlungen.

Deshalb führt die Diskussion völlig am Thema vorbei. Natürlich ist ein Filmproduzent mit „Besetzungs- Couch“ ein Schwein der seine Machtposition ausnutzt. Aber die Gesellschaft sollte sich ernsthafte Gedanken machen in wie weit die Selbstbestimmung geschützt werden kann ohne Tanten und Onkel zu Kriminalisieren. Doch das wird nicht geschehen, denn Arbeitgeber und Politiker setzten alles daran uns immer weiter zu entmündigen und zu kontrollieren. Die sexuelle Selbstbestimmung ist dabei nur ein kleiner Kollateralschaden.

Das mag zynisch klingen ist aber der Punkt auf den es ankommt. Die Arbeitnehmer von heute, die „human ressources“ haben doch schon lange ihre Selbstbestimmun an der Bürotür abgegeben. Sie werden mit Keyloggern überwacht, von Kameras kontrolliert, wegen 15 Cent entlassen, haben teils merkwürdige Dresscodes zu beachten und bekommen dann Geld welches auf Banken transferiert wird deren Konten längst ein offenes Buch für den Staat sind. Auf dem Weg zur Arbeit lauern mannigfaltige Kontrollen, Kameras, Blitzer, es werden Bewegungsprofile angelegt und Krankendaten ausgewertet. Selbstbestimmung? Wo denn noch? Die letzte Bastion, was man in der Mittagspause isst wird auch bald reglementiert werden, weil wir ja alle so ungesund essen. In diesem Umfeld ist völlig klar, dass wir alle sowieso nicht wissen was wir wollen, gelenkt und kontrolliert werden müssen und niemand mehr „Nein“ sagen kann. Kinder lernen schon früh, dass sie in der Schule nur dann Erfolg haben, wenn sie angepasste Jasager werden. Und schon wächst eine neue Opfergeneration heran. Die wird dann wieder Twittern, #Me too

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