Ebola oder die Fehler im System

Wie definiert man einen Staat? Nachschlagen bei Wikipedia macht einen da nicht schlauer. Aber das häufigste Wort in diesem Definitionsmischmasch ist Organisiert. Egal wie man ihn definiert, der Staat wird an seinen Funktionen, seiner Organisation  gemessen. Gute Staaten haben eine funktionierende Infrastruktur, ein gut ausgebautes Verkehrswegenetz, Bildungsinstitutionen, Rechtssystem und nicht zuletzt ein Gesundheitssystem. Definiert man Staaten über die Funktionsfähigkeit und Leistungsfähigkeit dieser Kernaufgaben, kommt man schnell zu dem Schluss, dass viele sogenannte „Staaten“ eigentlich keine sind. Das mag normalerweise nicht weiter auffallen, aber spätestens in einer Krise wie dem aktuellen Ausbruch von Ebola wird klar, dass die meisten afrikanischen „Staaten“ keinerlei Infrastruktur besitzen um ihre Bürger vor derartigen  Bedrohungen zu schützen. Was Solls, denkt sich der Deutsche, bei uns ist doch alles besser. In Afrika wird doch immer gestorben, sei es durch Krieg, Hunger oder Krankheiten. Das mag so stimmen, aber spätestens seit den Infektionen in Spanien und Amerika wird klar, dass der Afrikanische Virus schon längst den Westen erreicht hat. Ich meine damit nicht Ebola, sondern den Zerfall der Infrastruktur, hier gut zu beobachten am Beispiel des Gesundheitswesens. Die Frankfurter Allgemeine zitiert im oben verlinkten Artikel den Leiter des Frankfurter Gesundheitsamts, René Gottschalk: „Es besteht eine Gefahr, wenn Leute mit Schutzkleidung umgehen, die nicht entsprechend geschult sind“.

Es ist also kein Wunder, das ausgerechnet im Bankrotten Spanien und im heutigen Amerika derartige Ansteckungsfälle auftreten. Genau wie in Afrika ist das Gesundheitssystem dieser Länder chronisch finanziell unterversorgt und hat zu wenig und schlecht qualifiziertes Personal. Ignorante und nur auf ihr Budget bedachte Vorgesetzte reagieren nicht, oder zu spät, eine Aufsicht findet nicht statt und niemand fühlt sich wirklich verantwortlich. Dieser Prozess ist auch bei uns zu beobachten. In dem die Betriebswirtschaftslehre im Gesundheitswesen immer wichtiger wird, geht die medizinische Kompetenz im gleichen Maß zurück. Patienten werden hin und her geschoben, ihre Bedürfnisse versickern in der ausufernden Bürokratie und die Versorgung wird trotz immer neuer Medizintechnik immer schlechter. Das System verrottet von innen, wird Tag um Tag unmenschlicher. Wohin es führt, wenn Geld und nicht mehr das Funktionieren des Gemeinwohls in den Mittelpunkt eines Systems stellt ist gut in Afrika zu beobachten. Die Bürger sind sehr schlecht ausgebildet und mit den simpelsten Anforderungen an die Hygiene oft schon überfordert. Etwas so komplexes wie ein Virus zu begreifen ist den meisten der Armen gar nicht möglich. Das führt zu Gerüchten, Legendenbildung, Wunderheilern, die alles noch einmal verschlimmern und zu Ausgrenzung und Gewalt gegen Betroffene. Entlegene Seuchengebiete sind oft kaum zu erreichen, weil die Verkehrsinfrastruktur fehlt, es fehlt an Krankenwagen, Leichenwagen und vor allem an Organisation um dem Virus wirklich etwas entgegen zu stellen. Das merken jetzt auch die Reichen, die bisher lieber in die eigene Tasche gewirtschaftet haben, als mitzuhelfen ein Gemeinwesen aufzubauen. Aber auf einmal ist selbst für sie eine Flucht schwierig, die Flughäfen sind verweist und die Grenzen geschlossen. Leider ist letzteres kaum wirksam. Denn eine echte Quarantäne für ein ganzes Land würde Organisation, gut ausgebildete Ordnungskräfte und Infrastruktur wie Straßen voraussetzten. All das ist in den Nachbarländern des Krisengebiets genauso wenig vorhanden. Ebola wird also selbst bei massiven eingreifen der WHO kaum zu stoppen sein. Damit steigt die Gefahr, dass es auch in Ländern wie Amerika oder Spanien Fuß fassen kann. Jahrzehntelange Vernachlässigung und Unterfinanzierung der wichtigsten Staatsaufgaben haben das Feld bereitet. Doch ein Virus wie Ebola lässt sich nicht einfach unter den Tisch kehren wie die Finanzkriese. Er wird schonungslos die Fehler in allen Systemen ausnutzen und sich ausbreiten. Eigentlich bleibt nur zu hoffen, dass dieser Ausbruch durch Mutation des Virus von allein gestoppt wird. Andernfalls rate ich dem geneigten Leser zu der Lektüre von Albert Camus „Der Pest“ als Anschauungsmaterial was uns bevorsteht.

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