Das rechte Maß, die Bratwurst oder die Eier des Regenpfeifers*

Das erste Grillen des Jahres. Was schmeckt die Bratwurst gut!  Warum eigentlich ? Es hat wohl etwas damit zu tun, das es sieben Monate her ist, dass ich das letzte Mal eine Bratwurst vom Grill hatte. Darin liegt eine viel tiefere Bedeutung als uns heutzutage klar ist. Die Verfügbarkeit von allem und jederzeit ist das Ende des Genusses. Denn nur, wenn etwas selten ist, dann kann man es als etwas Besonderes schätzen. Das klingt einfach uns simplifizierend, ist aber viel weitergehend als es uns im ersten Moment klar ist. Dabei kennen wir das. Niemand wundert sich wenn der „Star“ Drogen nimmt, oder es mal wieder nichts aus dem Vorsatz wurde weniger zu rauchen oder zu trinken. Unsere Reizschwelle sinkt, wenn wir etwas häufig konsumieren. Bei Drogen wie auch bei allem anderen. Daher ist die Zigarette danach wunderbar, die anderen zwanzig am Tag jedoch nicht einmal annähernd so befriedigend. Das Zuviel ist ein Problem schlechthin. Wir sind ständig auf der Suche nach dem intensiven Erlebnis das wir empfanden als wir etwas zu ersten Mal ausprobiert haben. Doch egal wie sehr wir die Dosis steigern, nichts kommt diesem Gefühl auch nur annähernd nahe. Das einzige was dagegen hilft ist lustiger weise Verzicht. Wenn wir lange auf etwas verzichten müssen, dann ist das Gefühl wieder fast so intensiv wie beim ersten Mal.

Wer hat sie noch nicht gehärt die Geschichten unserer Großeltern, der Kriegsgeneration, die in den Zeiten der Entbehrung sich über etwas unheimlich Gefreut haben, was uns heute völlig selbstverständlich erscheint. Einmal so viel Brot essen wie sie wollten, das Stückchen Fett in der Suppe zu bekommen. Das einsame Bonbon an Weihnachten, das Stück Schokolade zum Geburtstag. Wir winken heute gerne ab, wenn wir mit solchen Geschichten konfrontiert werden. Einen Abe Simson, der Geschichten aus anderen Zeiten erzählt und dem niemand zuhört, kennt jeder. Jedoch vertun wir mit dieser Ignoranz  eine Change auf ein besseres und glücklicheres Leben.

 Die Werbung dröhnt allenthalben in unseren Ohren und will und Glauben machen, das wir nur dann Glücklich sind, wenn wir unsere Konsumwünsche augenblicklich erfüllen. Am besten noch auf Pump und ohne darüber nachzudenken, ob wir das Beworbene brauchen oder uns auch nur leisten können. Dann kommt der Kick, das kurze Hochgefühl, wie nach dem Zug an der Crack Pfeife und dann sind wir wieder genau so unglücklich wie vorher. Schon die Kleinsten sind ein perfektes Beispiel dafür, dass Konsum als Glückseligkeit nicht funktioniert. Da wurde wochenlang gebettelt und geweint, für das Spielzeug das sie einzig und alleine selig macht. Und drei Tage nach Weihnachten liegt es unbeachtet in der Ecke, bei allen anderen Spielzeugen die das genauso wenig vermochten.

Umso erstaunlicher ist es, dass wir als Erwachsene diesen Kreislauf immer noch nicht durchschauen. Wir glauben immer noch, dass uns das neue Kleid oder das neue Auto glücklich macht. Als ob wir es nicht seit der Puppe oder dem Spielzeugauto besser wüssten. Am schlimmsten erscheint mir als Hobbykoch das bei Lebensmitteln. Die wenigen die noch einer Saison folgen wie Spargel oder Melonen haben einen schon fast einsamen Platz erobert. Erdbeeren gibt es ja für den, der es sich leisten kann, schon fast das ganze Jahr aus südlichen Gefilden. Dabei ist grade diese ständige Verfügbarkeit ein großer Verlust. Das Besondere der ersten Grillwurst, des ersten Spargels und der ersten Erdbeeren ist durch nicht zu ersetzten.

Was uns bleibt ist unsere Natur zu kennen und zu beachten. Eine kluge Askese übt keinen Verzicht, sondern sichert den Genuss. Es ist genauso wenig hilfreich ganz auf etwas zu verzichten, das uns Freude bereitet. Aber ständige Übersättigung ist noch schlimmer. Auch das sollte uns allen klar sein, zu viel Zigaretten, Alkohol, Sex oder Grillwürste, haben alle unliebsame Nebenwirkungen. In der richtigen Dosis sind sie ein Genuss. Und der Effekt, dass wir uns nach einem kurzen Kick leer und freudlos fühlen bleibt ebenfalls aus.  Dazu hat eingeschränkter Konsum noch andere wünschenswerte Nebenwirkungen. Er kostet weniger Geld und macht uns damit weniger Abhängig von der Maschinerie der „Human Ressourcen“ wie die Ausbeutung von Lohnsklaven heute gerne genannt wird. Dann können wir endlich einen Job machen der uns befriedigt und nicht die Konsumindustrie.

*Der Titel spielt auf ein Kapitel im „Buch der Lügen“ von Aleister Crowley an, das ich derzeit neu Übersetzte. Erhältlich in wenigen Monaten hier im RB Verlag.

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