Interessiert verfolge ich die Diskussionen um meine Generation. Boomer als Schimpfwort, wenn sich „Prominente“ außern erfolgt ein Shitstorm nach dem Anderen.
Vielleicht habe ich ein zu gutes Gedächtnis um mich darüber aufzuregen, auch wenn es mich altersmäßig betrifft. Aber wie war das bei uns? Wir wollten nie so werden wie unsere Eltern und rebellierten gegen den Muff der Kleinbürgerlichkeit.
Damals habe ich mir geschworen gewisse Diskussionen niemals mit meinen Kindern zu führen. Kleidung, Musik Berufs- und Partnerwahl sind für mich absolut tabu. Zu gegenwärtig sind mir die vergangenen Konflikte mit meinen Eltern, auch noch 45 Jahre später.
Jede Generation prägt seine eigenen Normen, wenngleich es immer um dieselben Dinge geht. Ich streite mich nicht über Begriffe und glaube an etwas das der Volksmund so schön formuliert hat: „Jeder ist seines Glückes Schmied.“ Die dazugehörigen Fähigkeiten vermittele ich gerne, die Inhalte sind hingegen das Objekt meiner Kinder und da halte ich mich raus.
Allerdings behalte ich mir vor meine eigne Meinung zu behalten und zu formulieren. Ich wurde in den 70 und 80ern sozialisiert und wenn ich heute mit Halloween nichts anfangen kann dann liegt das daran, das das etwas ist, das es damals noch nicht gegeben hat. Angelsächsische Traditionen, importiert via Hollywood sagen mir nichts. Genauso wenig kann ich den heutigen Umgang mit Nacktheit, Nikotin und Gewalt nachvollziehen. Wann hat das Publikum zum letzten Mal einen weiblichen Nippel in einem Hollywoodfilm gesehen? Das muss so um 1995 gewesen sein, ca. 5 Jahre nachdem nur noch Bösewichte rauchen durften und action Szenen die 50% Marke des Inhalts eines typischen Blockbusters geknackt haben.
Für einen alten weißen Mann wie mich sind die Bemühungen der amerikanischen Studios uns zu erziehen irgendwo zwischen nervig und lächerlich. Erst gewöhnten sie und das Rauchen ab, dann nackte Haut, jetzt kommt kein Film und keine Serie mehr ohne gleichgeschlechtliche Beziehung aus. Ja, 8-10% der Bevölkerung präferiert eine solche, aber dass es quasi Pflicht geworden ist das zu thematisieren ist lächerlich. Anscheinend gibt es erzieherische Vorgaben, die jeder Drehbuchschreiber einhalten muss. Derzeit sind das gemischtrassige Paare und gleichgeschlechtliche Beziehungen, unter Vermeidung jeglicher explizierten Darstellungen. All das ist durchaus Okay, aber muss das in jeder Netflix Serie vorkommen? Egal zu welchem Thema?
Aber ich bin ja nur ein alter weißer Mann, dessen Ansichten irrelevant sind. Ich sehe mir daher kaum noch amerikanische Produktionen an. Völlig sinnentleerte Handlungsstränge, die nur aus Spezialeffekten, Gewalt und Geballer bestehen sind für Hollywood in Ordnung, solange einer der Co Helden eine gleichgeschlechtliche Beziehung unterhält. Aber das ist nichts für mich.
Ich will niemanden belehren, poste keine Bilder von Wählscheibentelefonen mit „lustigen“ Anmerkungen wie „wer weiß noch was das ist“. Auch glaube ich nicht daran das früher alles besser war. Aber Ü60 ist meine Sozialisation nun einmal abgeschlossen. Ich bin nicht so geworden wie meine Eltern, habe meinen eigenen Weg gefunden und akzeptiere die Konsequenzen dieses Weges. Wenn ich wegen meines Nikotinkonsums 8 Jahre früher sterbe dann ist das für mich in Ordnung. Wenn meine nicht vegane Ernährung dazu beiträgt Auswüchse wie die Massentierhaltung begünstigt, dann ist das bedauerlich, aber nichts was ich ändern kann. Achtsamkeit habe ich erlernt und ich überprüfe meine Handlungen häufig ob sie Karma erschaffen oder nicht. Da mein Leben recht gut läuft, scheine ich damit nicht völlig falsch zu liegen. Toleranz und Humanität gehören für mich zusammen. Da bin ich unbelehrbar.
Statt uns nur dafür zu sensibilisieren nicht Mainstream- Partnerschaftsmodelle als Teil der „Normalität“ zu erachten, sollte Hollywood lieber damit anfangen Gewalt aus der „Normalität“ zu entfernen. Auch wenn das bedeutet, das Filme wieder Handlung benötigen, statt Explosionen. Oder die Belehrungen hören ganz auf.
In Zeiten in denen die Hälfte der Amerikaner einem Kandidaten für das höchste Amt im Staat zujubeln der bestenfalls Unsinn, schlimmstenfalls Hetze von sich gibt, sollt die Unterhaltungsindustrie ihren Bildungsauftrag vielleicht neu definieren. Es gibt genug zu tun.