21. November 2024

Das Ministerium für Einsamkeit Informiert

Es ist so weit. Zumindest in England hat der Staat die ultimative Lösung für eines der schlimmsten Gesellschaftsprobleme angepackt und ein „Ministerium für Einsamkeit“ aufgemacht. Wenn das Thema nicht so traurig wäre hätte ich laut gelacht. Die Zeitungen überschlagen sich prompt mit Tipp was der geneigte Leser gegen seine Vereinsamung tun kann und wie immer geht die komplette Diskussion in die völlig falsche Richtung.

Es scheint für den sogenannten „modernen Menschen“ einfach kein Thema mehr zu sein, dass es gewisse biologische Dispositionen gibt, die nun einmal den Großteil unseres Lebens bestimmen. Wir sind so konstruiert, dass wir direkt nach der Geschlechtsreife und vermehren und bis 35 +/- ein paar Jährchen unsere Energie darauf richten einen Partner zu finden und unsere Gene weiter zu verbreiten. Clubs, Discos, one Night Stands, alles Resultate dieser biologischen Programmierung. Wir wollen Sexy aussehen, verführerisch sein, durch unser Prestige und unseren Status aus der Masse hervorstechen, kurz die besten Gene anlocken um uns zu vermehren.

Allerdings tut unsere Gesellschaft heute so, als ob das nichts mit unserer genetischen Programmierung zu tun hätte. Der Jugendwahn schiebt die Grenze für verführerische Verkleidung bis weit nach 50 nach oben, die Medizin ist in der Lage unser Ablaufdatum zu verdoppeln. Das hat natürlich Konsequenzen für die Gesellschaft. Der Großteil der Menschheit hatte noch vor 150 Jahren keine Zeit einsam zu sein. Geschlechtsreif mit 14, verheiratet mit 17 und 7 Kinder bis 29. Bis die alle so weit waren selber Geschlechtsreif zu sein war die Lebensuhr der Elter meist schon abgelaufen.

Heute jedoch haben wir genaugenommen zwei Leben. Zweimal 40 Jahre von denen mindestens eines mit Inhalten gefüllt werden muss über die sich die Menschen vor eineinhalb Jahrhunderten keinerlei Gedanken machen mussten. Meist ist das heute so, dass die ersten 35 Jahre mit Party und Unsinn gefüllt werden, so war es auch bei mir, und dann kommt der Katzenjammer und die Panik, dass die Gene vielleicht doch nicht weiterverbreitet werden könnten. Also schnell noch den Partner fürs Leben suchen und hastig in die Kinderproduktion einsteigen. Das das nicht immer funktioniert ist klar. Mit 35 haben viel bereits erste Ausfallserscheinungen und die Fruchtbarkeit lässt nach. Dazu ist es für egoistische Partymenschen schwer, nach 20 Jahren ohne Verantwortung das Ruder herumzureißen.

Die Statistiken sind da voll auf meiner Seite, auch wenn die Geburtenraten sich leicht erholen, so hat doch der Bevölkerungsteil mit Migrationshintergrund einen gehörigen Anteil daran. Was also sollte ein „Ministerium für Einsamkeit“ tun? Den Menschen klarmachen worum es im Leben wirklich geht? Wohl kaum, denn dann würde ja die schöne Konsumgesellschaft gleich mit in Frage gestellt. Die Formel: „Kauft Statussymbole und Modeschnickschnack um erfolgreich und beliebt zu sein!“; darf nicht in Frage gestellt werden. Die Wahrheit: „Sorgt am besten vor 35 dafür, dass ihr beim Genpool Bingo nicht als Verlier da steht“, will sowieso keiner hören.

 Ich weiß wovon ich rede, Leser die „Liams Weg in das Licht“ oder „das kleine Handbuch der Magie“ gelesen haben wissen wie es bei mir war. Auch ich habe bis 39 und einen Herzinfarkt gebraucht um endlich das zweite Leben, das uns die moderne Medizin geschenkt hat, aktiv anzugehen. Meine älteste Tochter ist jetzt soweit, dass sie vor 150 Jahren bald verheiratet worden wäre. Aber ich hatte es vergleichsweise einfach. In meinem ersten Leben habe ich soweit Karriere gemacht, dass mir weder meine grauen Haare, noch meine nicht mehr so tolle Gesundheit bei der Partnersuche für das zweite Leben im Weg gestanden hätte. Doch dieses Glück hat nicht jeder. Beim „Schlussverkauf“ haben jene kaum eine Chance die neben einem verlebten Äußeren auch materiell nichts vorzuweisen haben. Wobei wir damit den Punkt erreicht haben warum sich der Staat zumindest in England diesem Thema widmet.

Menschen die keine Soziale Absicherung haben müssen von staatlichen Systemen betreut werden. Sie brauchen bezahlte Pflege, wenn die Gesundheit mal nicht mehr so mitspielt und psychische Probleme sind längst einer der Hauptfaktoren für Berufsunfähigkeit geworden. Das kostet Geld und ist in jedem Fall teurerer, als wenn sich Angehörige um die Betreffenden kümmern. Also wird schnell mal ein neues Ministerium geschaffen und damit versucht den wachsenden Ausgaben in der Betreuung dieser Menschen entgegenzuwirken.

Echte Menschlichkeit ist im Kapitalismus sowieso nie zu erwarten aber Betriebswirtschaftlich macht das natürlich Sinn. Hoffentlich geht dieser Schuss nach hinten los und trägt etwas zur Debatte über eine menschlichere Gesellschaft jenseits des Konsumwahns bei. Dann hätte dieser Irrsinn sogar etwas Gutes.

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